Dr. Michael Kraml Erneuerbare Energien: Geothermie
Dr. Michael Kraml
Projektmanager Tiefengeothermie
GeoThermal Engineering GmbH
Warum haben Sie Geowissenschaften studiert?
Weil ich schon ab der 3. Schulklasse Minerale und Fossilien gesammelt habe, seither wissen wollte, was die Erde im Innersten zusammenhält und in der 7. Schulklasse nach dem Urlaub in Idar-Oberstein der Berufswunsch dann endgültig feststand.

Wie sah Ihr bisheriger Werdegang aus?
Im Studium an der Universität Heidelberg habe ich im 2. Semester auf einer vulkanologischen Exkursion nach Indonesien meine ersten Vulkane und Geothermieanlagen gesehen bzw. erwandert. Dieses faszinierende Erlebnis hat den Wunsch ausgelöst, junge aktive Vulkane zu erforschen. Daher bin ich nach dem Diplom in Heidelberg über Eruptionsprodukte des Osteifelvulkanismus und Datierung der Mittelrheinterrassen, welche diese Eruptionsprodukte enthalten, ans GEOMAR in Kiel gewechselt und habe zwei Jahre auf Gran Canaria gearbeitet. Danach habe ich als Doktorand der Uni Freiburg in der BGR zunächst den Kaiserstuhl und magmatische Gänge im Oberrheingraben und danach die Aschenlagen der letzten 300.000 Jahre in Mittelmeersedimenten datiert. Auch hier dienten die erarbeiteten Zeitmarken im Paläoklimaarchiv zur Kalibration von Klimamodellen, welche zur Voraussage künftiger Klimaentwicklungen genutzt werden sollten. Nach der Promotions- und Postdoc-Zeit an der Uni Freiburg bin ich 2003 von der Grundlagenforschung in die Angewandten Geowissenschaften zur BGR nach Hannover gewechselt und habe fünf Jahre im GEOTHERM-Programm Geothermieprojekte in Ostafrika und Chile betreut, um den Ausbau dieser erneuerbaren Energie nicht nur theoretisch zu fördern. Nach zwei Jahren in einer Anwaltskanzlei in Freiburg, in der ich als Inhouse-Spezialist für Geothermie Projektvorschläge von Projektentwicklern begutachtet habe, um eine Investition in diese Projekte zu empfehlen oder nicht, bin ich 2011 zu meiner jetzigen Firma GeoThermal Engineering GmbH gewechselt.
Was machen Sie heute?
Heute, d.h. seit 2003, bin ich in der Exploration von geothermischen Reservoiren im tiefen Untergrund hauptsächlich des Oberrheingrabens und des ostafrikanischen Grabens tätig. Dies umfasst nicht nur Thermalwasser-Vorkommen unter 190 °C, sondern auch an Vulkane gebundene hydrothermale Hoch-Temperatur-Systeme. Geothermie wird bei hoher Temperatur hauptsächlich zur grundlastfähigen Stromproduktion genutzt (24/7), während diese erneuerbare Energiequelle in Deutschland hauptsächlich zur Fern- bzw. Nahwärmeversorgung von Stadtvierteln oder Gemeinden eingesetzt wird. Aktuell befasse ich mich auch mit der Extraktion von Wertstoffen (insbesondere Lithium) aus Thermalwasser. Lithium wird für alle Li-Ionen-Akkus, u.a. von Smartphones und in großer Menge für die Akkus von Elektroautos, benötigt. Somit dienen beide Aspekte, d.h. die energetische und stoffliche Nutzung, zum einen über erneuerbare Wärmebereitstellung und zum anderen über Rohstoffe für die Elektromobilität, dem Gelingen der Energiewende.

Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?
Da kein geothermisches System dem anderen gleicht, ist die Arbeit sehr abwechslungsreich und immer wieder überraschend. Es kann sich keine Routine einstellen, da man permanent dazulernt. Außerdem besteht die Arbeit aus (i) Geländearbeit, bei der z.B. in Ostafrika mit den dortigen Kollegen echtes Neuland entdeckt werden kann und Kontinent-übergreifende Freundschaften entstanden sind, (ii) Ausbildung von jungen Kolleg*innen in formalen Kursen oder „on-the-job“, um das erfahrungsbedingte Wissen weitergeben zu können, (iii) interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Spezialist*innen aus anderen Disziplinen u.a. in Forschungsprojekten, welche den eigenen Horizont erweitert und den Kontakt z.B. zur Universität Heidelberg aufrecht erhält, (iv) der Datenauswertung, welche, wenn ein in sich stimmiges konzeptuelles Modell vor dem geistigen Auge entsteht, ein befriedigendes Heureka-Erlebnis darstellt, (v) der Entwicklung neuer (innovativer) Methoden/Geräte/Verfahren sowie (vi) dem konkreten Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels durch die Förderung der erneuerbaren Energie Geothermie, nicht nur in Deutschland.
Welche Herausforderungen bringt Ihr Job mit sich?
Die Hauptherausforderung liegt in der großen ökonomischen Tragweite einer Fehlinterpretation oder Interpretation auf einer zu geringen Datenbasis, denn sollte die erste Bohrung nicht fündig sein, haben die Investor*innen einen finanziellen Verlust von über 10 Millionen Euro zu verschmerzen. Noch schlimmer wäre es, wenn die zweite Bohrung nicht fündig ist und erst dann das Projekt abgebrochen werden müsste (=> über 20 Millionen Euro Verlust), denn das produzierte Thermalwasser muss nach der Entwärmung wieder in dieselbe Tiefe zurückgeleitet werden, um den Thermalwasserkreislauf aufrecht zu erhalten.
Wie sehen Ihre beruflichen Zukunftspläne aus?
Ich möchte durch meine Arbeit weiterhin sowohl durch die Förderung der Geothermie als Energiequelle als auch durch schonende und CO2-freie Gewinnung von lokalen Wertstoffen aus Thermalwasser dazu beitragen, den Klimawandel abzufedern, welches in meiner jetzigen Firma verwirklicht werden kann.