Dr. Friederike Bauer Tourismus: Expeditions-Seereisen
Dr. Friederike Bauer
Expedition Leader
Hurtigruten
Warum haben Sie Geowissenschaften studiert?
In der Schule hatte ich Geologie als Wahlfach und fand es super interessant. Auf einer Studienfahrt in der Schule sind wir an einem Aufschluss mit Fossilien vorbeigekommen, das war’s dann - Geologie war für mich der ultimative Studiengang: die Natur, die Erde erkunden, drauβen sein.
Geowissenschaften/Geologie birgt so viele spannende Geschichten, Gesteine und Fossilien sind wie ein Fenster in eine lange vergangene Zeit – Wegmarker, um die Entstehung unserer Landschaften zu entschlüsseln.

Wie sah Ihr bisheriger Werdegang aus?
Während des Diploms in Heidelberg habe ich mich in Richtung Sedimentologie spezialisiert und in meiner Doktorarbeit eine Delta Abfolge im Pyrenäenvorland untersucht. Neben klassischer Faziesanalyse sind dabei auch Gammaspektrometrie und Niedrig-Temperatur Thermochronologie angewandt worden. In einem anschließenden Postdoc, auch in Heidelberg, ging es um die Thermochronologie der Rwenzori Mountains. Danach bin ich an das geologische Institut in Bergen/Norwegen gewechselt und habe anhand von (U-Th)/He-Datierungen in Titanit die Thermochronologie von Mozambique erforscht.
Bergen ist der Startpunkt der Hurtigruten Schiffe entlang der traditionellen Postschiff-Route Bergen-Kirkenes, und jeden Abend habe ich von meinem Fenster die Schiffe den Fjord entlangfahren gesehen.
Nach dem 2-jährigen Postdoc Projekt bin ich bei der Stellensuche auf eine Anzeige von Hurtigruten gestoβen „Job als Kultur- oder Naturvermittler entlang der Küste“. Als Teil des Expeditionsteams auf einem Schiff Vorträge zur Natur und Geologie halten, Wanderungen begleiten und die Natur erklären, das klang gut. Wenngleich mir die Arbeit an der Uni Spaß gemacht hat, wollte ich mehr draußen sein. So fing ich an zur See zu fahren. Allerdings ging es dann nicht entlang der Küste, sondern in die Antarktis – aber wer sagt da schon nein.

Aber was macht man auf Expeditions-Seereisen eigentlich?
Grob überschlagen kann man sagen, dass reguläre Kreuzfahrten verschiedene Häfen anfahren, mit Ausflugsprogramm und Animationsprogramm an Bord.
Expeditions-Seereisen fahren z.T. auch Häfen an, z.B. in Island, aber überwiegend sind es Naturanlandungen, also mit Schlauchbooten geht es vom Schiff an Land (tendern). Das Animationsprogramm besteht eher aus Edutainment als Entertainment. Es gibt populärwissenschaftliche Vorträge zu den Gebieten, die wir bereisen. Das klingt simpel, ist es aber nicht, denn einem gemischten Publikum die Geologie, Biologie, Geschichte, Archäologie etc. so zu erklären, dass es jeder versteht und nicht alle einschlafen, kann eine Kunst sein. Zudem haben wir an Bord ein Science Center mit verschiedenen Mikroskopen, vom Durchlicht Binokular bis zum hochauflösenden Stereomikroskop, um Dünnschliffe oder kleinste Meeresbewohner anzuschauen.
Hier sind die Wissenschaftler im Team gefragt – wir haben von Glaziologen über Biologen bis zu Ozeanographen nahezu alle Fachrichtungen an Bord, zum Teil Gastwissenschaftler, da wir Projekte mit Universitäten unterstützen, sowie auch Citizen Science Projekte an Bord durchführen. Daneben gibt es Historiker und Activity Guides, da wir unter anderem auch Kajak-Ausfahrten, Wanderungen und vieles mehr machen.
Bei den Anlandungen ist das ganze Team gefragt. Zum Beispiel in der Antarktis gibt es keine Häfen, die wir anfahren, sondern nur Strände. Das Wasser ist nicht immer ruhig, aber immer reichlich kalt. Die Gäste werden mit den Schlauchbooten an Land gebracht, dort geht es raus und los. Ein Teil des Teams hilft, die Boote in Stellung zu halten und den Gästen raus und rein zu helfen, ein weiter Teil ist über der Anlandestelle positioniert um zu sehen, dass alles glatt läuft. Denn selbstredend gibt es strenge Richtlinien, an die wir uns halten, sei es in der Antarktis, der Arktis oder irgendwo dazwischen. Nichts hinterlassen, nichts mitnehmen, Respekt vor der Natur, der Tierwelt nicht zu nahe auf die Pelle rücken... Gerade bei Pinguinen ist das eine Herausforderung, da sie schon super knuffig sind. Aber es gibt Abstände, die eingehalten werden müssen, genauso wie Vorfahrtsregeln, die relativ einfach sind, Pinguine sind immer im Recht. In der Arktis kommt noch der spannende Faktor Eisbärenwache hinzu. Das Gelände muss im Vorfeld „gescreent“ werden, um sicher zu gehen, dass wir an der Anlandestelle nicht auf einen Eisbären treffen, was keine gute Idee wäre. An Land werden dann Wachen positioniert, um Ausschau nach Eisbären zu halten – sollte tatsächlich einer gesichtet werden, wird der geordnete Rückzuck angetreten und die Anlandung abgebrochen.

Und hier kommt der Expeditionsleiter ins Spiel:
Meine Rolle ist neben all dem genannten, also Gäste betreuen, Einweisungen geben, das Team koordinieren und darauf zu achten, dass alle Regeln eingehalten werden, primär die Sicherheit. Taucht z.B. ein Eisbär auf, muss ich die Situation schnell ausloten und Entscheidungen treffen und kommunizieren. Ein Abbruch wegen eines Eisbären ist in meinen 5 Jahren bei Hurtigruten nicht häufig vorgekommen, denn unsere Ferngläser sind unser bester Freund. Die Lage wird im Vorfeld eine gute Stunde gecheckt, ehe wir an Land gehen und dort weiter beobachten. Ein Abbruch wegen Wetterumschwung kann ebenfalls vorkommen, wenn die Brandung droht zu stark zu werden, der Wind zunimmt, Eis herandrifted. All das muss im Auge behalten werden.
Allgemein gesprochene Aufgaben umfassen:
Das übergeordnete Reiseprogramm wird durchgegangen, so auch die Anlandestellen. Täglich wird das Programm für den nächten Tag ausgelotet, da es stark von Wetter und Eis abhängig ist. Im Tagesablauf geht der erste Gang auf die Schiffsbrücke, um einen Überblick über die Gegebenheiten zu bekommen. Eislage, Wind, Tiere – sollte die Anlandestelle von Robben oder Pinguinen oder einem Bären belegt sein, muss ein Plan B angegangen werden, genauso wenn Eis die Anlandestelle blockiert oder zu viel Wind oder Dünung das Tendern unmöglich macht. Danach werden die Gäste über eine Durchsage begrüßt und ein Status Quo durchgegeben, und der Tag kann beginnen.
Das ist ein eher kurzer Einblick in die Arbeitswelt – selbstredend ist einiges an Administration dabei, auch vom Home Office, denn die Reisen unterliegen strengen Regeln, mit denen man sich vertraut machen muss. Es geht nichts über eine gute Vorbereitung!
Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?
Die Arbeit im Expeditions-Team, mit der Schiffs-Crew und die Ziele, die wir bereisen (von der Arktis bis in die Antarktis und etliches dazwischen, wie Island, die Kanaren und Chile). Ich liebe es, auf dem Wasser zu sein und bin gerne draußen zum Wandern und Erkunden. Die Faszination für Erde, Tiere und Natur weiterzugeben und den Respekt dazu zu vermitteln, die Augen zu öffnen, was das Leben abseits unserer Zivilisation noch so alles birgt, ist eine tolle Aufgabe, die ich gerne erfülle.
Welche Herausforderungen bringt Ihr Job mit sich?
Eine große Herausforderung ist es, Seereisen und Nachhaltigkeit unter einen Hut bringen. Ich liebe Tiere und die Natur, und daher möchte ich zum einen meine Begeisterung dafür an unsere Gäste weitergeben, aber zum anderen genauso meinen Respekt für die Natur. Als Expeditionsleiterin habe ich eine Führungsposition, was viel Planung und Administration mit sich bringt, und muss gleichzeitig genug Zeit aufbringen, um mich um unsere Gäste zu kümmern und präsent zu sein, denn der persönliche Kontakt zum Gast ist super wichtig und macht Spaß. Ich habe schon so viele unglaublich nette Menschen kennengelernt, mit denen ich z.T. immer noch im Kontakt bin.